Einem Bären in seinem natürlichen Lebensraum zu begegnen, ist ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Bärenbeobachtung wird immer beliebter. Und Kanada ist dafür der beste Ort.
Zeit: Mitte September. Ort: Great Bear Rainforest. Unsere Bärenführerin hat den Außenbordmotor schon lange abgestellt und zu den Rudern gegriffen. Lautlos treiben wir an Sandbänken mit dichtem Riedgras vorbei. Plötzlich hören wir es. Ritsch, ratsch, ritsch, ratsch. Vorsichtig, ganz vorsichtig, so leise wie nur möglich und mit klopfenden Herzen, bringen wir uns in dem kleinen Aluminiumboot in Stellung. Doch wir wurden gehört: Ein großer, kugelrunder Kopf ist aus dem Gras aufgetaucht und schaut, Grasstauden mampfend, zu uns herüber. “Ein Grizzlyweibchen”, flüstert die Bärenführerin. Wir starren zurück und vergessen völlig zu fotografieren. Keine 15 Meter sind es. Unsere Augen begegnen einander. Gänsehaut! Wir sehen nur noch diesen massiven Kopf mit dem braunen Wuschelfell. Dann taucht er wieder unter. Von uns droht keine Gefahr. Die Bärin frisst in Ruhe weiter.
Grizzlybären, Eisbären, Schwarz- und Kermodebären
Bärenbeobachtung bzw. “bearviewing” wird immer beliebter in Kanada. Es ist ein „bäriges“ Erlebnis, das sich einem ins Gedächtnis brennt. Mit umweltbewussten, artgerecht agierenden Touranbietern geht man dabei nicht nur auf Bearviewing-Safari, sondern entdeckt dabei auch noch nebelverhangene, immergrüne Regenwälder, blühende Tundren, boreale Nadelwälder und in Eis und Schnee erstarrte Winterlandschaften. Wer Eisbären sehen möchte, kommt in Nunavut und im Norden Manitobas an der Hudson Bay auf seine Kosten. Grizzlybären und die seltenen “Spirit Bears” genannten Kermodebären gibt es in British Columbia. Schwarzbären gibt es nahezu überall, vor allem in den Wäldern von Ontario und Québec.
Bärenbeobachtung mit strengen Regeln
Bisher kannten wir Grizzlybären nur vom Fernsehen her. Ihnen in Kanada zu begegnen, in freier Wildbahn und dazu auch noch Aug´ in Aug´, das war dann doch etwas völlig anderes. Wir besuchten sie in ihrem natürlichen Lebensraum, und dort mussten wir quasi das Gehen neu lernen. Seid leise, sagt am besten gar nichts. Bewegt Euch nicht ruckartig. Bleibt zusammen, entfernt Euch nicht von der Gruppe. Unsere Bärenführerin nahm die Einweisung sehr, sehr ernst. Und wir wurden fürstlich belohnt. Etwas später stapfte die Bärin auf den Uferstreifen, und wir sahen sie in voller Größe. Wir hörten sie sogar leise schmatzen und brummen. Was für ein Privileg! Den ganzen Weg zurück zur Lodge saßen wir nur da und lächelten still vor uns hin.